Gemeinsam mit dem Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS veranstaltet das Deutsche Archäologische Institut die Fachtagung „Nach der Stunde Null – aus Nachkriegserfahrungen für Syrien lernen? Denkmalpflege, Archäologie und Städtebau als internationale Aufgabe“. In verschiedenen Sektionen widmen sich international renommierte Fachleute aus der Stadtplanung und aus der archäologischen und städtebaulichen Denkmalpflege akuten Fragen des Wiederaufbaus kriegszerstörter Kulturerbestätten und diskutieren mögliche Strategien der Erhaltung und Revitalisierung des archäologischen, architektonischen und städtebaulichen Erbes im kriegsverheerten Nahen Osten.
Im Dialog mit Fachinstitutionen und Experten aus Syrien sollen europäische Nachkriegserfahrungen ausgewertet und gefragt werden, inwieweit sie Referenzmaterial für aktuelle Aufgaben der städtebaulichen und archäologischen Denkmalpflege im Nahen Osten liefern können. Dabei handelt es sich um ein Anliegen, das selbstverständlich in erster Linie von syrischer Seite zu definieren ist. Anderseits haben gerade Mittel- und Osteuropa in der Phase des Wiederaufbaus nach den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs viele Erfahrungen – positive wie negative – gesammelt, die im Rahmen der grenzüberschreitenden und interdisziplinären Kollegialität von Archäologen, Denkmalpflegern und Städtebauern als Know-how syrischen und anderen Kollegen im Nahen Osten als Grundlagen für den Wiederaufbau des kulturellen Erbes zur Verfügung stehen sollten. Dabei dürfen nicht nur prominente antike Einzelbauten im Fokus stehen, es muss zunächst darum gehen, syrische Städte mit ihren Denkmälern und historischen Stadtkernen zu retten und zu erhalten.
Daher stellt sich schon heute die Frage, wie soll sich der Wiederaufbau der zerstörten Städte gestalten? Neubau oder Rekonstruktion, alter Stadtgrundriss oder Neuordnung, Restaurierung gegen Nachempfindung sind ebenso grundsätzliche Fragen wie der Umgang mit dem archäologischen Erbe beim Wiederaufbau. Anders als in den Jahren nach 1945 in Europa steht heute im Nahen Osten eine leistungsstarke Bauindustrie bereit, der denkmalpflegerische Interessen und Techniken eher fremd sind. Wie umgehen mit den durch Krieg und Terror zerstörten oder stark beeinträchtigten antiken Stätten? Kann eine dreidimensionale Dokumentation oder Rekonstruktion mit Hilfe von 3D Druckern das Original ersetzen oder auch nur eine getreue Nachbildung erleichtern? Wie kann internationalen Standards und Konventionen Geltung verschafft werden und was soll die internationale Gemeinschaft tun, um im kriegszerstörten Syrien die planerische, handwerkliche und wissenschaftliche Expertise aufzubauen, die für einen qualifizierten Wiederaufbau des Landes nötig sind? Was erwartet die Öffentlichkeit in Deutschland und Europa, vor allem aber die syrische Gesellschaft in diesem akuten Notstand von Archäologen, Denkmalpflegern und Städteplanern? Welche internationalen Kooperationsformen haben sich bewährt, welche wären aus syrischer Sicht zu entwickeln?