Das Syrian Heritage Archive Project (SHAP)

Das Syrian Heritage Archive Project (SHAP)

Erstellung digitaler Kulturgüterregister für Syrien

Das Syrian Heritage Archive Project (SHAP)

06/03/2019

Die Kulturlandschaft Syrien gehört hinsichtlich der Anzahl und historischen Bedeutung der dort vorhandenen Denkmäler zu den herausragenden Regionen weltweit. Viele grundlegende Errungenschaften der Menschheit, z. B. die Landwirtschaft oder Urbanisierung, wurden erstmals in dieser Region entwickelt. Da in Syrien zudem alle Zeitabschnitte vom Beginn menschlicher Nutzung ab etwa eine Million Jahre vor heute bis in die osmanische Zeit durch archäologische oder historische Monumente belegt sind, verfügt das Land über eines der umfassendsten kulturellen Langzeitarchive.

Durch die aktuellen Entwicklungen im Land ist die Existenz dieses einmaligen kulturellen Erbes, das in weiten Teilen noch nicht wissenschaftlich erschlossen ist, massiv bedroht. Die Zerstörungen in den Altstädten sowie die im großen Stil durchgeführten Raubgrabungen in wichtigen archäologischen Stätten belegen die Dynamik dieses Prozesses, der zum unwiederbringlichen Verschwinden der wichtigsten historischen Zeugnisse des Landes führen kann.

Auch wenn diese Problematik nicht im Fokus der täglichen Berichterstattung steht, bildet sie doch einen wesentlichen Teilaspekt der momentanen Situation in Syrien, die man derzeit allerdings nur registrieren kann. Für die gegenwärtige und zukünftige Bewertung des Denkmälerbestandes ist die systematische Archivierung und Auswertung der vorhandenen Dokumentationen zu den einzelnen Befund- und Fundkategorien daher von grundlegender Bedeutung.

Durch die langjährigen Forschungsprojekte liegen für viele der bedeutendsten archäologischen und historischen Stätten Syriens umfangreiche Datenbestände vor. Darüber hinaus weisen gerade die Archive des DAI auch historische Bilddaten aus der Zeit vor und im ersten Weltkrieg auf, die, noch frei von moderner Bebauung, häufig eindrücklicher sind als spätere Aufnahmen. Ergänzt wird die Datensammlung zudem durch bedeutende private Forschernachlässe.

Viele dieser Forschungsdaten sind jedoch bisher ausschließlich in analoger Form vorhanden, da die digitale Datengenerierung in der Archäologie im größeren Umfang erst gegen Ende der 1990er begonnen hat. Die vollständige Digitalisierung der älteren Datenbestände bildet daher eine wesentliche Voraussetzung für die zukünftige Datennutzung und ihre sinnvolle Zusammenführung in größeren Datenbankprojekten sowie die darauf basierenden Auswertungen zum Stand des Kulturerbes in Syrien, insbesondere auch für die Kartierungen der kriegsbedingten Schäden.
Das Deutsche Archäologische Institut und das Museum für Islamische Kunst Berlin, die beide durch ihre langfristigen Arbeiten in Syrien über sehr umfangreiche Datensammlungen verfügen, haben daher im November 2013 in dem gemeinsamen Projekt „Erstellung digitaler Kulturgüterregister für Syrien / Syrian Heritage Archive Project“ mit der digitalen Erschließung ihrer Archive begonnen. Das Projekt wird großzügig im Rahmen des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland gefördert.

Sichtung, Digitalisierung und Archivierung der Forschungsdaten werden in Berlin von zwei deutsch-syrischen Teams durchgeführt. Die Materialien werden in der digitalen Forschungsumgebung des DAI iDAI.welt eingepflegt und damit strukturiert und standardisiert. Verschiedene Systemkomponenten werden genutzt: iDAI.objects/Arachne, die Bilddatenbank des DAI, iDAI.gazetteer, die archäologische Ortsdatenbank, und der DAI-Geoserver für Planmaterial und Kartenwerke. Zudem werden Datensätze der jeweiligen Stätten mit einschlägigen Literaturverweisen (Monographien und Zeitschriftenartikel) aus der Bibliotheksdatenbank iDAI.bibliography/Zenon verlinkt. Aufbauend kann so eine Analyse mit thematischer Ausrichtung und/oder eine Anwendung im Bereich Kulturerhalt (z.B. Schadenskartierung) erfolgen.

Bislang wurden rund 120.000 Datensätze digitalisiert und von diesen bereits rund zwei Drittel grundlegend (basal) klassifiziert. Die beschreibenden Informationen zu den einzelnen Datensätzen werden punktuell bereits verdichtet und können, je nach Zeitaufwand, beliebig detailliert erweitert werden.

Die Schnittstellen dieser IT-Architektur sichern die von Anfang an angestrebte internationale Vernetzung mit anderen, ähnlichen Projekten zur langfristigen Dokumentation der Kulturgüter Syriens, um eine möglichst umfassende Datensammlung aufzubauen. Ein Transfer von durch das Projekt aufbereiteten Daten soll zum Aufbau eines umfassenden, nationalen Denkmalregisters (National Heritage List) in Syrien beitragen und eine Grundlage für Monitoring-Aktivitäten und Maßnahmen zum Kulturgutschutz bieten.

Die Arbeiten im SHAP sind dabei Teil eines größeren Netzwerks für den Kulturerhalt „Die Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“, das vor allem auch die Aus- und Weiterbildung im Kulturerbebereich zum Mittelpunkt hat.


Titelbild: Screenshot der SHAP-Datenbank | Foto: DAI.

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