Vor zwei Jahren wurde in Amman der Masterstudiengang „Architectural Conservation“ an der German Jordanian University durch ArcHerNet und den DAAD gegründet. Der Studiengang ermöglicht sowohl jordanischen als auch geflüchteten Studierenden eine akademische Qualifizierung im Bereich Bauforschung, Denkmalpflege und Kulturerhalt. Wir blicken zurück auf die ersten Semester „Architectural Conservation“.
In Jordanien wurde im Herbst 2016 an der German Jordanian University (GJU) der Masterstudiengang „Architectural Conservation“ eingeführt. Die Umsetzung erfolgte in Kooperation mit dem Lehrforschungsgebiet Denkmalpflege und Historische Bauforschung der RWTH Aachen, unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe und dem Fachgebiet Historische Bauforschung und Baudenkmalpflege der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Thekla Schulz-Brize. Kooperationspartner sind das Archaeological Heritage Network, das Deutsche Archäologische Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst. Das Auswärtige Amt finanziert den Masterstudiengang im Rahmen des Projektes „Die Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“.
Bereits im zweiten Jahrgang lernen Studierende aus Syrien, Irak, Palästina und Jordanien die Grundlagen der Historischen Bauforschung, der Denkmalpflege und des Kulturerhalts. Der Unterricht erfolgt am Beispiel von Denkmälern verschiedener Epochen in Jordanien nach den Standards der deutschen Universitäten. Auf diese Weise werden Kompetenzen vermittelt, die später die Grundlage bilden beim Wiederaufbau und bei der Entwicklung von Denkmalstrategien auf der Basis einer detaillierten Bauforschung.
Innerhalb der Studienmodule werden einzelne Lehrveranstaltungen von Dozenten der RWTH Aachen und der TU Berlin übernommen. Auf diese Weise vermittelten die Ingenieurinnen Prof. Dr. Thekla Schulz, Dipl. Ing. Claudia Winterstein und Dipl.Ing. Mada Saleh (TU Berlin) den Studierenden in insgesamt vier Kompaktkursen die Bauaufnahme. Im 1. Studiensemester widmeten sich die Studierenden der manuellen Bauaufnahme, während im 2. Studiensemester die digitale Bauaufnahme thematisiert wurde. Am Beispiel des römischen Grabbaus, Qasr Nuweijis, aus dem 2. Jh. n. Chr. führten die angehenden BauforscherInnen in Amman praktische Studien durch.
Zunächst lernten die Studierenden das verformungsgerechte Handaufmaß, das Vermessen, analytisches Sehen und Zeichnen mit einfachsten Mitteln auf der Basis eines vom Gebäude unabhängigen Messsystems. Im zweiten Kurs zur digitalen Bauaufnahme machte Claudia Winterstein die Studierenden mit den Grundlagen der Tachymetrie und der Fotogrammmetrie vertraut. Die gewonnenen Daten wurden an Computerarbeitsplätzen in den Räumen der GJU CAD-basiert verarbeitet. Die Wände des Grabbaus wurden photogrammetrisch erfasst und digital ausgewertet. Die Auswertung erfolgte zum einen in einem 2D-Verfahren für die ebenen Fassadenbereiche, zum anderen mittels 3D-Photogrammtrie (SfM) für die oberen, auskragenden Gebälkzonen.
Die einzelnen Ergebnisse der verschiedenen Methoden wurden überlagert und dienten als Grundlage für die detaillierte Zeichnung am Objekt. Bei dieser Bauaufnahme untersuchten die Studierenden den baukonstruktiven Aufbau des Grabbaus. Gegenstand der Untersuchung war auch seine gut erhaltene Hängekuppel mit dem weit herausragenden Schlussstein, dessen Anschlussflächen auf ein achteckiges Zeltdach schließen lassen. Diese Zusammenhänge wurden auf dem Dach des Baus gemeinsam mit allen Beteiligten analysiert.
Die Bauforscherin Thekla Schulz-Brize ist mit den Ergebnissen des wissenschaftlichen Nachwuchses zufrieden. Die Studierenden seien insgesamt mit größtem Engagement bei der Sache, dabei extrem wissbegierig, dankbar und glücklich über diese einzigartige Studienmöglichkeit, so Prof. Dr. Schulz-Brize im Rückblick. Bemerkenswert seien ihre schnelle Auffassungsgabe und ihre Begabung.
Dieser besondere Studiengang in Jordanien stellt ein Erfolgsmodell dar, mit dem vor allem geflüchtete junge Menschen eine Chance für ihre berufliche Zukunft bekommen. Der Masterstudiengang „Architectural Conservation“ ermöglicht den Absolvierenden nach dem Ende von Kriegen und Krisen in verantwortungsvollen Positionen den Wiederaufbau und Kulturerhalt in ihren Ländern leiten zu können.
Titelbild: Tachymetrie im Inneren des Grabbaus | © Winterstein, TU-Berlin.
Weiterlesen:
http://www.archernet.org/index.php/2017/03/02/rgk-forscht-mit-keltenwelt-am-glauberg/
Die Arbeit des Archaeological Heritage Network wird von vielen Partnern national und international getragen und vom Auswärtigen Amt und der Gerda Henkel-Stiftung gefördert.