Start des Projekts „Stunde Null“ und Gründung des Archaeological Heritage Network (ArcHerNet) – Am 27. April 2016 wurde in Anwesenheit von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier das Projekt „Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“ offiziell gestartet. Es geht auf eine Initiative des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) zurück und steht auf einer breiten Basis kooperierender Einrichtungen, dem Archaeological Heritage Network.
Außenminister Steinmeier betonte in seiner Ansprache „die Projekte, die wir mit der Initiative „Stunde Null“ fördern, sind komplex und vielschichtig. So vielschichtig und komplex, mag manch einer sagen, wie die Herausforderungen, die mit dem Wiederaufbau Syriens einhergehen werden!“
Die Zerstörung des kulturellen Erbes in Syrien und im Irak durch den sogenannten Islamischen Staat schafft übermächtige, eigens medial inszenierte Bilder beispielsweise von der Sprengung der Tempel in Palmyra. Dabei gerät mitunter aus dem Blick, dass seit 2011 syrische Städte und große Teile des kulturellen Erbes zerstört werden, die zum Lebensalltag der Menschen gehören. Aus dem Blick gerät manchmal auch die Frage, wie Syrien nach dem Ende der Krise als Lebensraum für Menschen wiederaufgebaut werden kann.
Das Deutsche Archäologische Institut als eine der größten archäologischen Forschungseinrichtungen weltweit initiierte das Projekt „Stunde Null“, um für diese Herausforderung Kompetenzen zu bündeln und Synergieeffekte zu schaffen. Die Präsidentin des DAI beschrieb in ihrer Rede die Ziele des Netzwerkes: „Wir verfügen in Deutschland über große Kompetenzen auf diesem Feld. Aufgrund föderaler Strukturen sind diese in zentralen Bereichen jedoch auf die Bundesländer bezogen. Andere Einrichtungen haben einen explizit auf Deutschland bezogenen Auftrag. Diese Kompetenzen auch für die konkrete Arbeit im Ausland sichtbar und einsetzbar zu machen, ist ein Ziel des Archaeological Heritage Network. Ein anderes besteht darin, hiervon wiederum zu lernen und das eigene Handeln in globaler Spiegelung zu reflektieren.“
Gründungsmitglieder des Archaeological Heritage Network | © DAI.
Die Tempel von Palmyra sind bedeutende Stätten des kulturellen Erbes in Syrien. Doch beim Wiederaufbaus Syriens müssen andere Maßnahmen des Kulturerhalts Priorität haben. Höchste Eile ist geboten, wenn es darum geht, syrische Städte mit ihren antiken Denkmälern und historischen Stadtkernen zu retten und zu erhalten, nachdem bereits jetzt internationale Investoren mit Bulldozern Schutt und Bausubstanz weggeschoben und ganze Stadtareale aufgekauft haben.
Es kann also nicht primär um die Frage gehen, wie man die Tempel von Palmyra rekonstruiert, sondern vielmehr darum, wie man zum Beispiel mit dem bereits 2012 zerstörten Basar von Aleppo, einem UNESCO-Welterbe, verfahren will. Soll die Altstadt von Aleppo in ihrer Struktur erhalten und teilweise wieder aufgebaut werden oder will man sie als Schutthalde schließlich vergessen? Syrische Experten werden gemeinsam mit deutschen Kollegen daran arbeiten, archäologische Analysen am Basar von Aleppo sowie eine stadtplanerische Bestandsaufnahme durchzuführen, um zielführende Planungsprozesse gestalten und schließlich durchführen zu können.
Im Mittelpunkt des Projekts „Stunde Null“ steht die Weiterbildung syrischer Architekten, Archäologen, Denkmalpfleger, Bauforscher, Stadtplaner und vor allem Handwerker. Ein großer Teil der Aus- und Weiterbildung findet in den Nachbarländern Syriens statt, die Flüchtlinge aufgenommen haben. Für Hochschulabsolventen stehen darüber hinaus Stipendien für Masterstudiengänge in Baudenkmalpflege an der Helwan University in Kairo und an der German Jordanian University in Amman zur Verfügung. In Ergänzung dazu werden lokale Kräfte bei Arbeiten zum Erhalt bedeutender Denkmäler im Libanon, in Jordanien, im Irak und in der Türkei professionell geschult und zu Fachkräften weitergebildet.
Gründungszeremonie des Archaeological Heritage Network | © DAI.
So vereint das Projekt humanitäre Hilfe, indem es Arbeitsplätze schafft und Perspektiven durch Ausbildung eröffnet – nicht in abstrakten Lehreinheiten, sondern in konkreter Planung und Anwendung beim Wiederaufbau und damit Erhalt bedeutender Denkmäler in der Region. Das Netzwerk und das Projekt werden vom Auswärtigen Amt unterstützt. Sondermittel „Flucht und Migration“ des Auswärtigen Amts tragen dazu bei, das Projekt in den nächsten Jahren umzusetzen. Die Gerda Henkel-Stiftung fördert zahlreiche Stipendien und Projekte im Kontext des Projektes „Die Stunde Null“. Die Präsidentin des DAI dankte dem Bundesminister des Auswärtigen ebenso wie den Mitgliedern des Deutschen Bundestages für ihr persönliches Engagement und ihre Entscheidungen, die eine finanzierung und Umsetzung des Projekte „Die Stunde Null“ überhaupt erst möglich machen.
Deutschland verfügt über eine Fülle von Kompetenzen im Bereich des Kulturerhalts. An Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Museen, in nationalen und internationalen Verbänden und besonders auch im Bereich der Landesarchäologie und Landesdenkmalpflege. Ein Ziel des Netzwerkes besteht darin, diese Kompetenzen für die konkrete Arbeit im Ausland sichtbar und einsetzbar zu machen. Ein zweites Ziel besteht darin, hiervon wiederum zu lernen und das eigene Handeln in globaler Spiegelung zu reflektieren. Das erste gemeinsame Projekt des Netzwerkes trägt den Titel „Die Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“. Die Mitglieder des Netzwerkes wollen ihre Zusammenarbeit jedoch nicht auf dieses Thema beschränken, sondern zukünftig weitere Projekte initiieren. Das Netzwerk ist daher auch als erweiterbares Netzwerk gedacht.
Rede von Prof. Friederike Fless zur Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise | © DAI.
Die Gründungsmitglieder des Netzwerkes sind:
Titelbild: Eröffnungsrede von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier | ©
Die Arbeit des Archaeological Heritage Network wird von vielen Partnern national und international getragen und vom Auswärtigen Amt und der Gerda Henkel-Stiftung gefördert.